Luxemburger Privatbanken laut einer EY-Studie mit ihren IT-Investitionen zu Beginn der digitalen Revolution zurückhaltend
Als Folge der Finanzkrise erfährt die Vermögensverwaltungsbranche nach Jahren der Stabilität derzeit grundlegende Änderungen. Der Anstieg der Regulierungskosten, regulatorische Beschränkungen auf Einkünfte wie Anreize, Steuertransparenz, wachsende Anforderungen der Kunden, die Verschiebung des Vermögensaufbaus in die Region Asien-Pazifik, der Druck nicht-traditioneller Akteure oder die Beeinträchtigung des traditionellen Wertbeitrags durch die digitale Entwicklung sind zahlreiche Herausforderungen, denen sich die Branche gegenübersieht. In diesem Zusammenhang hat die Bedeutung der Informationstechnologie (IT) stark zugenommen, um einerseits dem Kostendruck zu begegnen und andererseits neue Geschäftsmöglichkeiten zu eröffnen.
Wie reagiert die IT in der Vermögensverwaltungsbranche auf diese Herausforderungen? Die EY-Benchmarking-Studie „Digital disruption and the game-changing role of technology in global wealth management, 2015” gibt im Rahmen eines internationalen Vergleichs – einschlieβlich Luxemburgs – Aufschluss über die Kosten, Prioritäten und IT-Anwendungen.
Das Advisory-Team von EY hat fast 30 Vertreter von Privatbanken einschlieβlich lokaler Akteure und weltweit tätigen Vermögensverwaltern in der Schweiz, Singapur und Luxemburg befragt. Die Studie, die im vergangenen Jahr einzig in der Schweiz durchgeführt wurde, wurde in diesem Jahr auf Singapur und Luxemburg ausgeweitet. Die drei internationalen Vermögensverwaltungszentren bieten eine geeignete Grundlage zur Analyse der relevanten IT-Vergleichsparameter in Bezug auf die Kosten, Dienstleistungen sowie die Entwicklung der Informationstechnologie mit besonderem Schwerpunkt auf die Auswirkungen der digitalen Technologien auf die Vermögensverwaltung.
Digitale Technologien passen sich rasch der Vermögensverwaltungsbranche an
„Die diesjährige Studie hat ein groβes Augenmerk auf einen besonderen Kontext gelegt, der sich auf die Branche sowie auf die voraussichtliche Entwicklung der IT auswirkt: digitale Technologien in der Vermögensverwaltung“, sagt Denis Costermans, Directeur Associé Advisory, der sich auf Private Banking spezialisiert hat. „Digitale Technologien einschlieβlich der Mobiltechnologie, sozialen Medien, der Datenanalyse und Cloud Computing sind für die Branche zunehmend von Bedeutung. Digitale Technologien sind ein Faktor für Veränderungen im Private Banking. Unter vermögenden Privatkunden finden digitale Methoden eine hohe Akzeptanz.”
Digitale Technologien verändern grundlegend die Kundenbetreuung sowie die Durchführung von Geschäftsvorgängen. Diese Veränderung schreitet stetig voran. Im Falle von Investitionen legen viele Banken ihren Schwerpunkt bei digitalen Investitionen jedoch auf kundenorientierte Lösungen und ignorieren dabei den hohen Wert, den sie aus digitalen Technologien für die Prozessoptimierung im Front- und Back-Office – und sicherlich noch anderen Bereichen – schöpfen können. Die Studie zeigt, dass digitale Technologien die gesamte Wertschöpfungskette einschlieβlich der Leistungsfähigkeit des Front Office und der operationellen Exzellenz neugestalten.
Denis Costermans bemerkt: „Die Studie veranschaulicht deutlich die tatsächlichen Vorteile der Umstellung auf digitale Technologien aus Umsatz- und Kostenperspektive. Wir stellen jedoch auch fest, dass die Vermögensverwaltungsbranche nur langsam in das digitale Zeitalter eintritt, wodurch sich Abweichungen zwischen den Kundenerwartungen und den Angeboten der Banken ergeben. Nicht-traditionelle Akteure, die traditionelle Akteure zu Investitionsanstrengungen zwingen könnten, drängen auf den Markt.”
Compliance-Anforderungen und Optimierungsfragen dominieren noch immer die IT
Regulatorische Anforderungen und Informationssicherheit haben für CIOs oberste Priorität (92% bzw. 72%). Die Automatisierung von Kundenprozessen sowie weitere Kosten- und betriebliche Optimierung haben ebenfalls höchsten Stellenwert. Aus Sicht von lediglich 48% der Befragten sind Mobilgeräte und Applikationen wichtige Faktoren bei der Kundenbetreuung. Soziale Medien und Cloud Computing hingegen haben keine Auswirkungen (4% und 0%).
Olivier Maréchal, Partner und Head of Financial Services Advisory bei EY Luxemburg, erläutert: „Diese Ergebnisse zeigen, dass die IT eindeutig ein Schlüsselelement bei der Beantwortung von Fragen zur Strategie und zu Abläufen im Hinblick auf die Compliance oder die operationelle Effizienz ist. Wir können ebenso beobachten, dass CIOs ihre eigenen Vorstellungen zur Optimierung der Gesamtkosten beitragen. Wir stellen jedoch mit Bedauern fest, dass viele traditionelle Privatbanken sich scheuen, die IT für grundlegende Innovationen an den Kundenschnittstellen zu nutzen. Der asiatische Markt hat in diesem Bereich eine Vorreiterrolle übernommen – in Singapur setzt sich beispielsweise eine technikaffine Haltung durch, einer von drei Befragten misst sozialen Medien groβe Bedeutung bei. Auch wir müssen uns dieser Herausforderung aufgrund des Drucks seitens der Kunden, neuer digitaler Wettbewerber und der neuen Generation irgendwie stellen.”
Internationaler Kostenvergleich im IT-Bereich
Im Private Banking beliefen sich die IT-Kosten für Luxemburger Finanzdienstleister im Vergleich zu den Gesamtkosten im Durchschnitt auf 15,8%, wobei von Jahr zu Jahr ein konstanter Anstieg von 15,5% in 2009 auf 16,2% in 2013 verzeichnet wird. Die Situation verhält sich bei den Kosten pro Mitarbeiter im IT-Bereich ähnlich – sie stiegen von USD 35.000 in 2009 auf USD 43.000 in 2013. Die IT-Kosten im Rahmen der gesamten Betriebskosten sind in Luxemburg niedriger als in der Schweiz (16,4% im Durchschnitt). Im Vergleich zu den beiden anderen Regionen erweckt Singapur mit einer Kostenquote von 12,8% den Eindruck, im IT-Bereich wenig zu investieren.
Neben den Gesamtkosten im IT-Bereich wurden auch die Personalkosten in der EY-Analyse berücksichtigt. Basierend auf unserer Stichprobe kostet ein interner IT-Mitarbeiter im Private Banking in Luxemburg USD 136.000 (einschlieβlich aller Lohnnebenkosten). Dieser Betrag ist seit 2009 (USD 128.000) um 6% gestiegen. Im Gegensatz dazu sind die Personalkosten für allgemeine Bankangestellte im gleichen Zeitraum um 12% gestiegen (2009: USD 136.000, 2013: USD: 152.000). Anders ist die Situation in der Schweiz. Die Kosten für einen IT-Mitarbeiter liegen um 36% höher (USD 185.000) und sind seit 2009 mehr oder weniger kontant. Die Kosten für allgemeine Bankangestellte sind in diesem Zeitraum um fast 10% gefallen (2009: USD 252.000, 2013: USD 230.000). In Singapur beliefen sich die Kosten für einen IT-Mitarbeiter 2013 auf USD 129.000 (Mitarbeiter allgemein: USD 189.000) im Vergleich zu USD 127.000 (Mitarbeiter allgemein: USD 195.000) in 2009.
Olivier Maréchal erläutert: „Wenn wir einen weiteren Blick auf die Aufteilung der Budgets zwischen den „Geschäftsabläufen in der Bank” und der „Veränderung der Geschäftsabläufe in der Bank” werfen, liegen die Kosten in Luxemburg über Jahre stabil bei 40% für die „Veränderung“, was kein Nachweis für zunehmende Investitionen in Innovationen darstellt. Im Gegensatz dazu erweist sich Singapur mit stark steigenden Zahlen als innovationsfreundlich. Als Folge der zunehmenden Digitalisierung in der Wertschöpfungskette des Private Banking entstehen neue Anwendungsgebiete im IT-Bereich, wie z.B. die Integration der mobilen Datenerfassung, der Daten der sozialen Medien sowie groβer Datenmengen. Diese digitalen Technologien eröffnen vielfältige Möglichkeiten und der IT-Bereich muss eine Führungsrolle bei der Integration solcher Tools übernehmen, wenn Banken die Möglichkeiten dieser Technologien optimal nutzen sollen.”
IT-Standardplattformen am geläufigsten
Des Weiteren wurde untersucht, welches Architekturmodell der Kernbankensysteme in den drei Ländern die höchsten und niedrigsten Kosten verursacht. In diesem Fall wurde zwischen drei Privatbank-Gruppen unterschieden: Privatbanken, die überwiegend „IT-Standardplattformen” nutzen, Privatbanken, die sich auf „selbst entwickelte Plattformen” stützen und Privatbanken, die eine breite Mischung oder die „bestmögliche Plattform“ nutzen. Standardplattformen sowie selbst entwickelte Plattformen sind im Durchschnitt gleich teuer und belaufen sich auf ungefähr 15% der Gesamtkosten einer Privatbank. Die bestmöglichen Ansätze aus verschiedenen, häufig zusätzlich angepassten Konzepten für Bankensysteme sind jedoch wesentlich kostspieliger und belaufen sich auf 21%.
Pascal Vaucouleur, Directeur Associé und Leiter IT Advisory bei EY Luxemburg, sagt: „Die Standardplattform auf Grundlage eines integrierten Konzepts nimmt in der Vermögensverwaltung in Luxemburg offensichtlich eine vorherrschende Stellung ein. Dies ist für die Übertragung der Entwicklungskosten auf den Software-Anbieter sowie die zunehmende Automatisierung der Geschäftsabläufe ein effizienter Ansatz. Dabei ist zu beobachten, dass Veränderungen des Kernbankensystems die Branche nicht nur in Luxemburg erfassen und dabei zwei Strategien verfolgen: strategische Investitionen in die Plattform-Migration und taktische Investitionen in die Vereinfachung der IT-Architektur in Verbindung mit der Überarbeitung des Betriebsmodells und einer starken Einbindung der Nutzer.”
Tiefgreifende Änderungen am IT-Betriebsmodell
Verschiedene Entwicklungen haben zur Weiterentwicklung in der Informationstechnologie geführt: die Digitalisierung der Vermögensverwaltung, die Zunahme der technisch orientierten Abläufe, zunehmende Möglichkeiten zur Auslagerung von IT-Geschäftsabläufen, höherer Stellenwert der Produkteinführungszeit, Notwendigkeit enger Geschäftsbeziehungen – um nur einige zu nennen.
Aufgrund der Befragungen von Führungskräften stellen wir fest, dass die Informationstechnologie noch handlungsfähig ist und die Kapazität zur Unterstützung der digitalen Agenda hinterfragt werden kann. Für eine zügige und kostengünstige Anpassung sind die besten Talente aus dem IT-Bereich und ausgezeichnete organisatorische Flexibilität erforderlich. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass zwei IT-Modelle in Unternehmen nebeneinander bestehen können: ein traditionelles Modell mit optimierter Geschwindigkeit und ein „Hochgeschwindigkeitsmodell“ zur Unterstützung der digitalen Entwicklung. Das „Hochgeschwindigkeitsbetriebsmodell“ stellt eine Herausforderung dar: durch die Bildung von Modulkomponenten, die schnell in Lösungsarchitekturen zusammengeführt werden können, muss für die Geschäftstätigkeit rasch ein Nutzen erkennbar sein.
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